Stark bleiben vor den Kindern

“Ich muss stark sein – Ich kann vor meinen Kindern nicht zeigen, dass es mir nicht gut geht. Ich möchte sie nicht verunsichern und muss meinen Kindern Rückhalt und Kraft geben.”

Diese Gedankengänge sind nicht selten. Sie mögen auf den ersten Blick berechtigt sein, können dich jedoch enorm viel Kraft kosten. Besonders wenn dich dein Alltag bereits an deine körperlichen Grenzen treibt, können einzelne kleine Faktoren dein System in ein Ungleichgewicht bringen. 

Gehen wir mal von dieser Situation aus: Im alltäglichen Leben wächst dir gerade alles über den Kopf. Im Job ist es stressig und auch privat ist vielleicht nicht immer alles rosig. Du fühlst dich abgespannt und erschöpft. 

Trotzdem möchtest du gegenüber deinen Kindern „performen“. Du möchtest das Bild der starken Mutter oder des starken Vaters unbedingt vor deinen Kindern bewahren. Du willst ihnen Rückhalt geben, für sie da sein und sie nicht mit deinen eigenen Themen belasten. Da ist es nur eine plausible Schlussfolgerung Ihnen nicht zu zeigen, dass es dir nicht gut geht, sondern durchzuziehen, keine Schwäche zu zeigen. Puh. Was für ein Energie aufwändiger Vorgang. Das braucht viel Kraft und fordert nochmal mehr Ressourcen, die du wirklich gut gebrauchen könntest, um das Leben zusammenzuhalten. 

Die Belastungen türmen sich immer weiter auf und die Wahrscheinlichkeit, dass ein kleiner Impuls dein System zum Überlaufen bringt, erhöht sich.

Der Kampf mit alten Mustern

In Situationen, in denen du dieser Belastung nicht mehr Stand halten kannst, bröckelt das von dir geschaffene Bild und du schämst dich aufgrund der eigenen Ansprüche an sich selbst. Dabei sind diese Verhaltensmuster Resultate aus Lernprozessen vergangener Zeit. Sie waren zu bestimmten Zeiten mal gut, doch nun helfen sie dir wirklich kein Stück mehr. In den Momenten, in denen sie die Kontrolle übernehmen, zögern sie den unvermeidlichen Ausbruch nur raus und verschlimmern ihn eventuell noch. 

Trotzdem ist es nicht leicht, alte Muster abzustreifen. Du fühlst dich vielleicht wie blockiert, wie als würdest du auf eine Zementwand treffen, so stark hast du das alte Verhalten verinnerlicht. 

Unterschätze deine Kinder nicht!

Kinder haben jedoch ein Superhelden-Gespür für die Gefühlslage ihrer Eltern. Auch, wenn du versuchst etwas vor ihnen zu verbergen, merken sie, dass etwas nicht stimmt. Wenn du nicht klar kommunizierst, warum du gerade nicht gut drauf bist, sorgt das dafür, dass deine Kinder wie auf Eierschalen laufen und stark verunsichert sind.

Manchmal ist ein Ausbruch all deiner Emotionen vielleicht gar nicht so schlecht. 

Ich weiß… über Gefühle zu reden bedarf Übung. Aber das Schöne ist, dass es gleichzeitig lernbar ist. Wenn es dir unangenehm ist, über einen vorgefallenen Ausbruch zu reden, dann rate ich dir andere Wege zu nutzen, um emotionalen Austausch zu üben. Zum Beispiel in einem gemeinsamen Abendritual. Setzt euch zusammen und sprecht miteinander: Was bewegt dich heute? Was hast du für Gedanken? Was hast du für Gefühle? Wie geht es dir wirklich?

Denn damit einher gehen viele Vorteile für dich:

  1. Es schafft Vertrauen, es schafft Klarheit und es stärkt eure Bindung.
  2. Reden wirkt wie ein Ventil. Alleinig über deine Gedanken und Gefühle zu sprechen sorgt für Druckausgleich.
  3. Diagnostik und Therapie zugleich – um deine Sorgen für dein Kind verständlich auszudrücken, musst du es auf das Wesentliche runterbrechen. Zeitgleich entkoppelst du damit die Schwere der Problematik. „Vielleicht ist es gar nicht so wild, wie ich es in meinem Kopf wahrgenommen habe. Ich mache einfach zu viel.“

Kinder sind prima darin, in dem gemachten Elefanten, wieder die ursprüngliche Mücke zu finden 😉

Im Vordergrund steht bei dem Ritual nicht der Gedanke stark zu sein, sondern einen Rahmen zu schaffen, in dem alles gesagt werden darf. Du baust eine Sicherheitszone auf. Eine Zone, in der ihr lernen könnt, über Dinge die euch Bewegen zu sprechen und langsam aber sicher die Zementmauer herunterzubrechen ohne dabei stark sein zu müssen, oder in eine Rolle zu fallen. Lass dein Kind teilhaben.

Und wenn ihr mal keinen Bock habt über Gefühle zu sprechen, dann erzählt euch gegenseitig drei tolle Dinge. Das lässt dich gleich viel entspannter schlafen.

Das Abendritual als Frühwarnsignal

Durch die Übung und das Schaffen eines sicheren Rahmens, hilft es dir in einer erneuten Stress-Situation Transparenz und Klarheit herzustellen. Und vor allem kann es dir dabei helfen, einer Eskalation aus dem weg zu gehen. Du gehst hierbei die zwei wichtigsten Schritte:

  1. Wahrnehmen: Ich bin gerade voll am Limit.
  2. Transparent machen, dass es gerade so ist.

Wenn du trotzdem merkst, dass du deinen Stress allein nicht mehr bewältigen kannst, dann melde dich bei mir. Gemeinsam finden wir Wege, um Ruhe und Luft zum atmen in deinen Alltag zu bringen.